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Zwanzig Jahre Fanprojekt Aue

Die Fanarbeit in Deutschland fußt auf zwei Säulen, den Fanbeauftragten der Vereine und den vereinsunabhängigen Fanprojekten. Neben diesen beiden Säulen organisieren sich in vielen Vereinen eigene Fanabteilungen oder Interessengemeinschaften Derzeit arbeiten über die Republik verteilt 57 Fanprojekte mit 63 Fanszenen, von der Bundesliga bis zum Amateurfußball. Das älteste Fanprojekt in Bremen besteht bereits seit 1981. Weil sowohl die Deutsche Fußballliga als auch der Deutsche Fußballbund erkannt haben, welches Potenzial in der Arbeit steckt, übernehmen sie genauso wie Stadt und Land einen Teil der Finanzierung. Seit zwanzig Jahren gibt es das Fanprojekt Aue. Die Geburtsstunde schlug am 7. Juni 1996 in der Schwarzenberger Rockelmannschänke. Die Idee zur Gründung entstand aber schon 1995 durch den heutigen FCE-Fanbeauftragten Heiko Hambeck und Frank „Punkt” Steinbach. Die Auer Fanszene lag zum damaligen Zeitpunkt ziemlich am Boden und es gab viel Streit. Auch die Stimmung im Stadion und die Zuschauerzahlen ließen arg zu wünschen übrig. In den ersten zehn Jahren war die Situation von denkbar schlechten strukturellen Rahmenbedingungen und einer sehr geringen finanziellen Unterstützung geprägt, sodass die Arbeit meist nur auf ehrenamtlicher Basis geleistet werden konnte.

Mann der ersten Stunde war der ehemalige Seemann Andreas Zeise aus Chemnitz. Der gebürtige Schwarzenberger war das Herz des Fanprojekts in Aue. Parallel dazu managte er den Posten des Fanbeauftragten beim FCE ehrenamtlich. Er setzte sich stets für Fairness auf dem Rasen, den Rängen und in den Köpfen der Sportverantwortlichen ein. Ihm gelang es, in Kooperation mit dem Arbeitsamt zwei ABMStellen zu schaffen. Jedoch mangelte es in den frühen Jahren an Unterstützung durch das Land Sachsen und die Kommune. Ab 1997 wurden zwei Frauen, Sylvia Kummer und Jaqueline Uhl, über eine ABM-Maßnahme im Fanprojekt beschäftigt. Eine weitere Initiative, die Andreas anschob, war die Aufnahme in die BAG-Fanprojekte als vollwertiges Mitglied. Dadurch wurde die Möglichkeit der weiteren Professionalisierung enorm gesteigert. Vom 9. bis 11. März 1998 fand in Aue die BAG-Jahrestagung statt. Trotzdem blieb die finanzielle Lage angespannt. Das Auer Fanprojekt hatte 1998 beim Sächsischen Ministerium für Kultur den Antrag zur Bildung eines Pilotprojekts gestellt. Dieser wurde jedoch abgelehnt. Alle weiteren Bemühungen um eine verlässliche Finanzierung des Fanprojekts blieben lange Zeit ohne Erfolg.
Koordiniert wurde die Arbeit in diversen kleinen Büros in der Auer Poststraße 9, die teilweise nicht mal drei mal drei Meter groß waren. Manchmal konnte man gerade so die Miete zahlen. Doch der Verein kämpfte und ließ sich nicht unterkriegen. 2004, nach dem ersten Aufstieg des FC Erzgebirge in die 2. Bundesliga, bezog man dann endlich ein größeres Domizil in einem Eckhaus an der Goethestraße in Aue. Doch diesen Umzug sollte Andreas Zeise nicht mehr miterleben. Am 19. Dezember 2000 starb er an den Folgen einer Messerattacke in Schwarzenberg. Andreas wurde nur 43 Jahre alt. Fortan mussten die Geschicke des Fanprojektes neu geordnet werden.
Seit 2005 ging es mit ihm aufwärts. Nachdem der FC Erzgebirge Aue im dritten Jahr in der zweiten Liga spielte, erkannte man auf städtischer Seite endlich die Notwendigkeit einer kontinuierlichen professionellen Arbeit. Erstmals gelang es, eine ausgewiesene Streetworker-Planstelle in Trägerschaft des Kreisjugendrings Erzgebirge e. V. dem Fanprojekt zuzuweisen. Diese wurde von der lange Jahre ehrenamtlich arbeitenden Sylvia Kummer besetzt. Doch ein weiterer schwerer Schicksalstag in der Auer Fanarbeit sorgte für Bestürzung. Sylvia starb nach schwerer Krankheit im Alter von nur 48 Jahren am 20. Dezember 2006. Als Mutter der Auer Fangemeinde opferte sie sich in ihrem Leben stets für andere auf und wirkte maßgeblich am Aufbau und am Erfolg des Fanprojektes mit. Durch ihre Arbeit und ihre warmherzige Art bleibt sie als einer der prägenden Menschen im Umfeld des FC Erzgebirge unvergessen. Nach diesen zwei schweren Verlusten stieg nach langer Weigerung im Jahre 2008 auch das Land Sachsen in die Förderung der Fanprojekte ein, was die finanziellen wie auch strukturellen Rahmenbedingungen des Auer Vereines auf stabile Füße stellte. Seit dem 1. Juni 2007 leitet mit Michael Scheffler ein ausgebildeter Sozialpädagoge unser Fanprojekt. Ihm zur Seite steht Frank Steinbach, der nach dem Tod von Sylvia die Arbeit dort aufrechterhielt, als weiterer fest angestellter Mitarbeiter. Außerdem ist Karolin Hambeck im Projekt tätig.
Insgesamt also eine positive Entwicklung, die auch in den nächsten Jahren ihre Fortsetzung finden soll. Die knapp 200 Quadratmeter großen Räume des Fanprojekts in der Bahnhofsstraße 37 haben sich seit dem Umzug 2007 als fester Anlaufpunkt vor allem für jugendliche Fußballfans etabliert. Zudem ist ein Büro der aktiven Fanszene im Fanprojekt integriert und somit ein reger Austausch im Gange. Viele der aktiven Auer Fans fühlen sich der Gewaltfreiheit und dem Kampf gegen Rassismus verpflichtet und unterstützen das Fanprojekt in seiner Tätigkeit. Die Jugend steht im Fokus der Arbeit und dafür gab es vor vier Jahren Anerkennung. Die Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) mit Sitz in Frankfurt am Main übergab den Auern am 7. September 2012 ein Qualitätssiegel, das den Erzgebirgern hervorragende Arbeit bescheinigt.
Wer das Zertifikat will, muss unter anderem eine gewisse Unabhängigkeit zum jeweiligen Fußballklub nachweisen. Weitere Kriterien: feste Mitarbeiter, nachhaltige Jugendhilfe und langfristig angelegte Projekte. Ein breites Spektrum also, inklusive der Bemühungen um eine sichere und gewaltfreie Fanszene. Ein weiterer Beleg für das Erreichte war auch die Ehrung mit dem Sächsischen Bürgerpreis unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident Stanislaw Tillich im Oktober 2014. Grundlage allen Handelns der Mitarbeiter der Fanprojekte ist eine belastbare, auf Vertrauen beruhende Beziehung zur Fanszene. Gerade die Fans aus Aue genießen bundesweit einen ausgezeichneten Ruf, von dem auch die Stadt Aue und der Erzgebirgskreis profitieren. Auch hierzu hat die über zwanzigjährige Arbeit des Auer Fanprojekts einen beträchtlichen Teil beigetragen.
Im Moment besteht das Fanprojekt-Team aus Michael Scheffler und Frank Steinbach (beide über Kreisjugendring Erzgebirge e. V.) sowie Karolin Hambeck. Zudem gibt es seit April 2016 zwei weitere Stellen (AGH Mehraufwand) über das Landratsamt Erzgebirge.
Wer Mitglied werden will, muss einen Euro im Monat zahlen, bekommt dafür aber auch einiges geboten. Zahlreiche Veranstaltungen, beispielsweise Lesungen, Filmabende, Konzerte und Jugendbegegnungen, meist mit fußballerischem Hintergrund, organisiert das Fanprojekt. Hinzu kommen regelmäßige Zeiten zum Schwofen und Spielen oder eben zum Fußballgucken. Es gibt viermal in der Saison die beliebten U-18-Auswärtsfahrten zu Spielen der Veilchen sowie den Hortcup für Kinder. Das Winterhighlight ist der alljährlich ausgetragene Andreas-Zeise-Cup im Hallenfußball. Zum Gedenken an den verstorbenen Gründer des Fanprojektes wurde ein Wanderpokal gestiftet, um den Fanteams spielen. Im Sommer gibt es den Sylvia-Kummer-Gedächtniscup. (Burg) Fotos: Burg + Olaf Seifert
Text: Burg