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MÄRZ ’92: BÖSE ÜBERRASCHUNG IN NORDHAUSEN

Am 15. März 1992, einem Sonntag, erlebte der FC Wismut Aue im Albert-Kuntz-Sportpark beim Tabellenachten FSV Wacker 90 Nordhausen eine böse Überraschung. Als sich die Begegnung schon auf ein torloses Unentschieden einzupegeln schien, bekam plötzlich Marco Weißhaupt kurz vor der Strafraumgrenze völlig freistehend das Leder und hob es über den zu weit vor seinem Gehäuse stehenden Keeper Jörg Weißflog in die Maschen. Bei diesem einzigen Tor in der 86. Minute blieb es und nicht nur Aues schöne 20-Spiele-Serie war futsch, in der man seit Ende August 1991 in 18 Punkt- und zwei Pokalspielen ungeschlagen blieb. Es war in der Spielzeit 1991/92 auch der Anfang vom Ende der Hoffnung auf den Staffelsieg und auch von Heinz Eisengrein als Trainer. Der FSV Zwickau nutzte die Gunst der Stunde an diesem 24. Spieltag und siegte im heimischen Stadion 3:0 gegen Sömmerda. Nun waren es schon vier Pluspunkte Vorsprung, die der Rivale vorm FC Wismut besaß. Dabei hegte man im Auer Lager nach der ersten Halbserie Mitte November 1991 große Erwartungen, als man die Zwickauer im Lößnitztal 2:1 schlug und sich mit einem Punkt Vorsprung auf dem ersten Tabellenplatz befand. Für den Aufstieg in die 2. Bundesliga im Sommer 1992 wurden Spiele in vier Gruppen mit den zehn Oberligameistern, dem Zweitplatzierten der Oberliga Nord sowie zwei Teams aus der 2. Bundesliga ausgetragen.
Doch schon mit Beginn der Rückrunde, die sofort eine Woche nach dem Heimsieg gegen Zwickau begann, büßten die Veilchen Boden in der Tabelle ein. In Suhl und im Heimspiel gegen Riesa gab es jeweils nur ein Remis. So mussten die Erzgebirger am 21. Spieltag, als die Ligaspiele nach der Winterpause fortgeführt wurden, zusehen, wie Zwickau mit einem 4:2-Sieg in Riesa punktgleich, aber aufgrund des besseren Torverhältnisses den ersten Platz erklomm. Aues Heimspiel gegen den starken Tabellendritten Bischofswerda musste nämlich wegen Unbespielbarkeit des Platzes abgesagt werden. Für Trainer Heinz Eisengrein lag auch vor dem ersten Punktspiel des Jahres 1992, eine Woche später in Hoyerswerda, noch alles im Bereich des Möglichen: „Ich glaube, meine Mannschaft ist spielerisch gut genug, um den Staffelsieg zu erreichen. Die Situation ist für uns günstig. Jetzt werden die Karten neu gemischt.” Doch nach einem wiederum enttäuschenden Remis (1:1) in Hoyerswerda gab es im Heimspiel gegen den FC Meißen (2:0) einen glanzlosen Sieg. Die erwähnte Niederlage in Nordhausen brachte dann das Fass zum Überlaufen. Nur zwei Tage später stand im Viertelfinale des Landespokals im Heimspiel gegen den FSV Hoyerswerda nur ein Sieg zur Debatte. Trainer Eisengrein gab vor dem Match zu, dass die Mannschaft in Nordhausen miserabel gespielt habe und es für Aue nun fünf vor zwölf sei. Nach dem blamablen 0:1-Pokalaus für Wismut gegen die hoch motivierten Gäste war es nicht verwunderlich, dass die wenigen Zuschauer (380 bedeuten historischen Minusrekord bei einem Auer Pflichtspiel) Spieler und Verantwortliche auspfiffen. Heinz Eisengrein blieb aller Kritik zum Trotz im Amt und sagte nach dem Pokalspiel, „kein Trainer der Welt kann die derzeitigen Probleme der Mannschaft wegzaubern”. Die Hauptursache lag seiner Meinung nach im hohen psychischen Druck, der auf seiner recht jungen Elf lastete. So war das Heimpunktspiel vier Tage später gegen den Tabellenvierten 1. FC Markkleeberg schon eine gewisse Schicksalspartie für die Erzgebirger. Nach einer weiteren Niederlage (1:2) war die Enttäuschung bei den Aktiven und vor allem den treuen Zuschauern, die kopfschüttelnd das Stadion verließen, riesig. Nach der verdienten 1:0-Führung durch Steven Zweigler (64.) wurde man von den Rand-Leipzigern eiskalt ausgekontert. Im Tor des Siegers stand der junge Frank Rost, der später bei Werder Bremen, Schalke 04 und dem Hamburger SV eine sehr erfolgreiche Profikarriere hinlegte. Das Rennen um Platz eins schien bei einem Sechs-Punkte-Rückstand auf Zwickau gelaufen.
Zumal sich die Schützlinge des späteren Veilchentrainers Gerd Schädlich beim Tabellendritten Bischofswerda keine Blöße gaben und 3:1 gewannen. Das Präsidium des FC Wismut Aue reagierte am späten Abend des 23. März 1992, zwei Tage nach der Markkleeberg-Niederlage, mit der Beurlaubung von Trainer Eisengrein. Der scheidende Coach, in der zweiten Saisonhälfte der letzten Spielzeit noch Co-Trainer neben Klaus Toppmöller, äußerte sich danach so: „Ich habe in den letzten 15 Monaten in Aue gute Arbeit geleistet. Wir gehen im Guten auseinander. Für Aue geht es um eine rechtzeitige Planung für die Zukunft. Das akzeptiere ich.” Das Auer Fußballleben ging auch danach weiter. Gleich mehrere Trainerkandidaten, wie Harald Irmscher, Lothar Kurbjuweit, „Ede” Geyer oder Reinhard Häfner, standen zur Auswahl. Das Rennen machte der 21-fache DDRAuswahlspieler Lutz Lindemann, der sieben Tage nach dem Markkleeberg-Desaster die Geschicke des FC Wismut übernahm. Zu seinen Motiven sagte er: „Aue war schon immer ein Reizthema, der Verein besitzt eine große Tradition. Diese zu erhalten sollte für jeden Trainer Ansporn sein.”
Lindemann prägte in den nächsten zehn Jahre das Gesicht des Vereins wie kaum ein anderer. Zwar war der Abstand zu Zwickau bei seiner Amtsübernahme gewaltig, aber eine Minimalchance blieb. Am 1. April 1992 saß der neue Coach beim Nachholspiel gegen Bischofswerda zum ersten Mal auf der Bank. Durch ein Tor von René Hecker (60.) gewannen die Veilchen 1:0. Aber durch Niederlagen beim FV Zeulenroda (2:4) und Bornaer SV (0:2) verspielte man auch die letzte Minimalchance. Der Kuchen war somit schon fünf Runden vor Saisonschluss gegessen. Im letzten Spiel, beim FSV Zwickau (1:1), ging es nur noch um die Ehre. Der FSV zog als Staffelsieger mit sieben Punkten Vorsprung wie im Jahr zuvor in die Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga ein. Dass der Erzrivale es dort erneut nicht schaffte, war für die Auer Fans nur ein schwacher Trost. (Burg) Foto: Frank Kruczynski