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Damals 3. April 1960: Fischers Freistoß zischte ins Netz

Das Tor – Er war schon lange fällig gewesen, ja, geradezu überfällig, der Siegestreffer für die Gastgeber. Schon im bisherigen Verlauf des Spieles hatten die Leipziger auf Grund ihrer spielerischen und Feldüberlegenheit sich verschiedene klare Torchancen verschafft. Ein Treffer schien in der Luft zu liegen, besonders in der 63. Minute, als Stiller im Anschluß an die siebente Ecke für Lok den von Neupert nur kurz abgewehrten Ball umgehend aufs Tor beförderte und der Scharfschuß des Mittelstürmers gegen den Pfosten krachte. Dann brach die 86. Minute an. Zu diesem Zeitpunkt hatte man schon nicht mehr mit einer Entscheidung gerechnet. Freistoß für Lok. „Die Mauer bilden“, rief „Binges“ Müller, Fischer trat zur Vollstreckung an und setzte das Leder flach aufs Tor. Konzack, der kurz vor den Wismut-Abwehrspielern Position bezogen hatte, ließ den Ball täuschend durch, der somit unhaltbar für Neupert im linken Eck einschlug.
Das Niveau – Die neue und noch kurze Fußballsaison hat uns erfreulicherweise bereits verschiedene gute Spiele gebracht. Wohl keines erreichte die Qualität des Topspieles Nummer eins am vergangenen Sonntag in Leipzig. Fast alles, was das Fußballherz zu erfreuen pflegte, war hier zu sehen: Spannung, Dramatik, schöne Kombinationen, saubere Technik und auch herzhafte Torschüsse. Selbst wenn man bei hervorragenden Mannschaften wie Lokomotive und Wismut einen besonders strengen Maßstab anlegen muß, dann kann gesagt werden: Der Kritiker ist mehr als zufrieden.
Das Spiel von Lokomotive – Die Leipziger stellten diesmal in erster Linie die spielerische Seite in den Vordergrund. Wie sie das Leder meist direkt und oft steil von Mann zu Mann weiterreichten, das entsprach durchaus modernem Zuschnitt. Dabei wendeten sie mitunter auch die Methode des Rückspiels an, ohne dabei jedoch den Spielfluß irgendwie zu hemmen. Nein! Nach einem Rückpaß folgte sofort wieder der weite und auch stets genaue Steilpaß. Mit diesen Mitteln, derer sich alle Spieler des Lok-Kollektivs befleißigten, erspielten sich die Schützlinge von Trainer Alfred Kunze nach und nach eine starke Feldüberlegenheit. Wohl bemerkte, die gesamte Mannschaft des SC Lok hat den schönen Erfolg über den Meister errungen. Wenn wir dennoch auch heute wieder einige Spieler besonders hervorheben wollen, dann soll das für die anderen keineswegs eine Zurücksetzung bedeuten. Nennen wir zum Beispiel den erstaunlich umsichtigen Mittelverteidiger Dieter Scherbarth, der seinem doch so erfahrenen Gegenspieler kaum einen Stich gönnte. Willi Trögers Ausspruch nach dem Spiel: „Das war ein feiner, sportlich fairer und vor allem sehr starker Gegenspieler für mich“ ehrt in gleichem Maße den Sprecher wie auch Leipzigs Stopper. Ferner fiel uns diesmal besonders das kluge Spiel von Mittelstürmer Günther Stiller auf, der sich von keinem Gegner fesseln ließ, mal vorn, mal rechts, mal links auftauchte, stets von neuem den wichtigen Anspielpunkt bildete und auch durchaus nicht selten als Vollender der schönen Kombinationen seiner Mannschaft auftrat. Schließlich sei noch erneut Linksaußen Günther Konzack hervorgehoben, der wie ein Wirbelwind durch die Reihen der Wismut-Spieler brauste, bei seinen schnellen Dribblings kaum zu halten war und letzten Endes auch im schönen taktischen Zusammenwirken mit seinem wiederum ausgezeichneten Läuferkameraden Dieter Fischer für das entscheidende Tor verantwortlich zeichnete.
Das Spiel von Wismut – Gegen diese technisch hervorragende und meist äußerst schnelle Spielweise der Leipziger kamen die Gäste diesmal nicht ganz auf. Wohl versuchten vor allem Manfred Kaiser, der sich bis zur Pause noch allzu sehr durch seine Deckungsaufgaben für den Leipziger Halblinken Günter Behne (!) fesseln ließ, und Siegfried Wolf, dessen Zweikämpfe mit dem Leipziger Linksaußen das Spiel schon allein sehenswert machten, den Ball in den eigenen Reihen zu halten. Aber das Zusammenspiel erfolgte viel zu langsam, um gegen die geistig und körperlich schnelle reagierenden Gastgeber einen Erfolg zu versprechen. Als Rechtaußen Klaus Zink einmal – und das geschah zu selten – mit einem Steilpaß auf die Reise geschickt wurde, da gab es Gefahr für das Lok-Tor. Im übrigen fehlte es der Wismut-Vorderreihe diesmal an einem konstruktiven Halbstürmerpaar und an der Durchschlagskraft.

SC Lok (schwarz-blau): Sommer; Herrmann, Scherbarth, Söllner; Fischer, Drößler; Gase, Krause, Stiller, Behne, Konzack
Trainer: Kunze

SC Wismut (weiß-rot-gestreift-weiß): Neupert; S. Wolf, B. Müller, A. Müller; Seifert, M. Kaiser; Zink, Wagner, Tröger (ab 70. K. Wolf), Killermann, Erler
Trainer: G. Hoffmann

Schiedsrichterkollektiv: Neumann (Forst), Köpcke, Riedel
Zuschauer: 27 000

Torschütze: Fischer (87.)

Reserven: 1:2