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Wismut Aue International: Auf ein Buckfast nach Nordirland

Keine zehn Sekunden dauert heute das, was für die Auer Mannschaft von 1960 unmöglich war. Ein Piepen, ein grünes Licht und man ist durch die Grenzkontrolle und auf der irischen Insel. 62 Jahre nach den ausgefallenen Europacup-Spielen besuchten zwei Veilchen-Fans erstmals die Gegner von damals. 

 

Das Spiel, das niemals stattfand

 
Eigentlich ist die Geschichte hinter allem schnell erzählt. 1959 holte die Wismut, damals noch als SC Wismut Karl-Marx-Stadt, ihre dritte und letzte DDR-Meisterschaft. Es war das Ende einer goldenen Ära mit drei Meisterschaften und dem FDGB-Pokalsieg. Die verdiente Tour durch Europa im darauffolgenden Jahr wurde jedoch zu einem echten Politikum. Denn statt nach Lurgan zum nordirischen Meister Glenavon F.C. zu reisen, bekamen die Spieler von Trainer Manfred Fuchs von der britischen Regierung keine Visa ausgestellt. Durch den eisernen Vorhang schaffte es nicht mal der Fußball. Die Europacup-Spiele der beiden Meistermannschaften fanden nie statt. 

Auf nach Lurgan

62 Jahre später ist der eiserne Vorhang gefallen, was hindert uns also daran, dieses Spiel nachzuholen? Aufgehoben ist nur aufgeschoben! Zumindest dachte sich das Thomas Otto vom Auepodcast „Zwei gekreuzte Mikros“. Der Kontakt zum Glenavon FC war schnell geknüpft und glücklicherweise unterbrachen die Nordiren für die WM ihren Ligabetrieb nicht. So ging es für uns Anfang Dezember nach Lurgan. Mit dem Zug, Flieger und dem Bus ist das eine kleine Weltreise. Dafür sahen wir bei unserer Ankunft schon von weitem die strahlenden Flutlichtmasten über der nordirischen Kleinstadt. Mit unseren Kontaktmann Adam ging es in den Mourneview Park und hinter die Kulissen. Beim Glenavon FC gibt es ihn noch: den leicht muffigen Mehrzweckraum mit Interview-Werbewand, Trainer-Whiteboard, Wimpelsammlung und dem vollen Wäschekorb der U20-Mannschaft. Dort hängt nun auch ein Wimpel von Wismut Aue. 

Glenavon FC 0:1 Larne FC

Mit Larne FC gastierte zu unserem Besuch standesgemäß der Tabellenführer der nordirischen Premier League beim Glenavon FC. Und unter Flutlicht und dem nasskalten britischen Wetter zeigte Glenavon echte Wismut-Tugenden. Die „Blues“ schmissen sich in jeden sich bietenden Zweikampf und streuten den Gästen ordentlich Sand ins Getriebe. Torchancen waren zwar Mangelware, aber deutlich gefährlicher waren die Hausherren, aber leider auch vor dem eigenen Tor. Die einzige gefährliche Hereingabe von Larne köpfte in der 80. Minute Blues Verteidiger Sean Ward in den eigenen Kasten zum 0:1. Große Enttäuschung auf den Rängen, ein Eigentor brachte den Underdog um die verdienten Punkte. „Looks familiar“, sagten wir nur knapp zu Adam.

Einen Nudeltopf gibt es bei Glenavon auch. Allerdings setzen die Briten traditionell auf ein anderes Trägermaterial. Chips, also für uns Pommes, werden dort mit Ketchup und Käse kredenzt. Keine Gaumenfreude, aber dieser „Pommestopf“ bereitete uns unfreiwillig auf die nordirische Gastfreundschaft vor. Denn spätestens als im Supporters Club nach dem Spiel der Aue-Schal übergeben wurde, spendierte man uns ein Getränk nach dem anderen. Unausweichlich kommt man so in den Genuss des heimlichen Nationalgetränks: Buckfast. Serviert in einem kleinen Glas erinnert es am ehesten an kalten Glühwein. Allerdings verstecken sich hinter dem süßen Geschmack ordentliche Umdrehungen und reichlich Koffein. Nach dem ersten war uns nicht mehr kalt, nach dem zweiten hatten alle die Niederlage vergessen. Warum es so beliebt ist, dürfte damit geklärt sein.

Crusaders FC 3:2 Glentoran FC

„Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“ – da waren wir mit Sepp Herberger auf einer Wellenlänge. In Belfast lockte das Derby zwischen den Stadtrivalen Crusaders und Glentoran um Platz 3 in der Tabelle. Rostige Tribünen, nasskaltes Wetter, vulgäre Rentner und guter schnörkelloser Fußball – wer in Nordirland die Liebe zum Spiel nicht wiederfindet, ist verloren.

Der schwelende Konflikt

An einer Sache kommt man in Nordirland aber nicht vorbei. Erst recht nicht, wenn man in Belfast am „world’s most bombed“ Hotel vorbeiläuft. Der einst blutige Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken prägt Land und Leute noch heute. Es gibt nach dem Brexit keine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland. Dafür sind die Städte und Orte in Nordirland tief gespalten. Überquert man nichtsahnend eine Straße, wandert man vom katholischen in den protestantischen Teil der Stadt. An den Häusern finden sich Wandmalereien von gefallenen Freiheitskämpfern und die Mauern und Tore, die die Stadtviertel trennten, gibt es mancherorts auch noch. Fasziniert und zugleich bedrückt, ist man da froh, aus einem friedlich vereinten Land zu kommen.  

Glenavon FC : FC Erzgebirge Aue

62 Jahre sind seit den ausgefallenen Europacup-Spielen vergangen, mit etwas Verspätung waren die ersten Auer nun da. Die Geschichte und die Idee, die Spiele nachzuholen, begeistert auch die Fans in Nordirland. Schließlich fehlt beiden Clubs ein Stück Vereinsgeschichte. Die ersten Kontakte sind geknüpft und vielleicht, ja vielleicht lässt sich der verwegene Plan in die Tat umsetzen. Und wenn wir dann in Nordirland spielen, dann staunt die ganze Welt! 


Glück Auf!

Max Richter

Text & Fotos: Thomas Otto & Max Richter