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Historisches Jubiläum

Am 11. März 1959 war der SC Wismut im Berner Wankdorf-Stadion zu Gast

Am 11. März 2024 erinnert sich der FC Erzgebirge Aue an ein historisches Jubiläum. Vor exakt 65 Jahren bestritt die damalige Meister-Elf des SC Wismut Karl-Marx-Stadt als Vorgänger des heutigen Clubs das Viertelfinal-Hinspiel im Europapokal der Landesmeister beim Schweizer Champion Young Boys Bern. An der Stätte des Wunders von Bern holte Wismut auswärts ein 2:2. Zum Einzug ins Halbfinale reichte es in Summe jedoch nicht.

 

Dort, wo Fritz Walter und Co. fünf Jahre zuvor den Weltmeistertitel für Deutschland holten, trat der DDR-Meister aus Aue am 11. März 1959 an: Im Berner Wankdorf-Stadion. Vor 32.000 Zuschauern egalisierte Wagner den frühen Rückstand, der kürzlich verstorbene Klaus Zink brachte die Wismut-Farben in Führung. Young Boys Bern glich zum 2:2-Endstand aus, das Rückspiel im Otto-Grotewohl-Stadion Aue eine Woche später vor 20.000 Zuschauern endete 0:0. Da es damals noch keine Auswärtstor-Regel gab, musste ein Entscheidungsspiel auf neutralem Boden über den Einzug ins Halbfinale des Europapokals der Landesmeister, der heutigen Champions League, entscheiden. In Amsterdam behielt Bern dann mit 2:1 die Oberhand, die „Schachter“ verpassten 1959 somit den Sprung unter die besten vier Teams in Europa.

 

Die Spielberichte zur Partie zwischen Young Boys Bern und dem SC Wismut Karl-Marx-Stadt vor 65 Jahren lesen sich wie Relikte aus einer anderen, ruhmreichen Zeit.

Young Boys Bern gegen SC Wismut Karl-Marx-Stadt 2:2 (1:1)

 

Young Boys Bern: Eich; Zahnd, Steffen, Bigler; Schnyder, Schneiter; Rey, Wechselberger, Meier, Allemann, Flückiger

Trainer: Albert Sing

 

SC Wismut: Thiele; K. Wolf, B. Müller, Wagner; S. Wolf, M. Kaiser; Zink, Erler, Tröger, Killermann, S. Kaiser

Trainer: Gerhard Hofmann

 

Schiedsrichter: Guerra (Portugal)

Zuschauer: 32 000 (Wankdorf-Stadion, Bern)

 

Torfolge: 1:0 Meier (22.), 1:1 Wagner (45.), 1:2 Zink (58.), 2:2 Rey (88.)

 

1:0 Meier (22.): Ein Angriff der Young Boys endete beim linken Verteidiger Wagner, statt den Ball ins Aus zu schießen, hebt „Conny“ überhastet den Ball in die Mitte des 16 Meter-Raumes. Halbstürmer Erler versucht, das Leder wegzuschlagen, doch Mittelstürmer Meier kommt in Ballbesitz und schießt unhaltbar für Thiele in die Maschen.

1:1 Wagner (45.): Keiner der 32.000 glaubte mehr vor der Halbzeit an den Ausgleich, als S.Kaiser einen Eckball haargenau zu seinem aufgerückten linken Verteidiger zurückpaßte. Wagner schoß dann aus fast unmöglichem Winkel mit dem Außenrist ins rechte obere Eck.

1:2 Zink (58.): Eine herrliche Kombination zwischen Tröger und S.Kaiser mit anschließendem Flankenball zu Erler. Zink steht plötzlich frei, sein Scharfschuß aus 10 Meter bringt Wismut in Führung.

2:2 Rey (88.): Der Berner Rechtsaußen dribbelt mit dem Ball auf der linken Seite an zwei Wismut-Spielern vorbei und kurvte in die Mitte. Keiner glaubt an etwas Böses, als dieser einen Flachschuß aus 25 Metern losläßt. S. Wolf berührt den Schuß noch mit der Fußspitze. Der Ball bekommt Effet, Thiele kann diesen Ball nicht festhalten. Er trudelt langsam über die Linie.

Berner Remis ist ein halber Sieg

 

Laßt uns die ersten zwanzig Minuten gegen die Young Boys überstehen! Dieser Ausruf einiger Spieler war berechtigt, denn die Berner sind für ihre Blitzstarts ja bekannt. Aber es zeigt sich wieder: Jedes Spiel läuft anders, besonders bei einem Cupspiel, das ja ganz anderen Bedienungen unterliegt.

 

Überraschenderweise lief es bei Wismut in den ersten zehn Minuten nach Wunsch. Die Abwehr hatte sich nach kurzer Zeit auf das steile, schnelle Abspiel der Gastgeber eingestellt. Drei gegnerischen Stürmern standen immer vier Wismut-Spieler gegenüber. Zudem ließ Young-Boys-Trainer Albert Sing neben Meier auch noch Linksaußen Flückiger als sogenannten Anspielpunkt stark zurückhängend spielen. Leider erfaßte Rechtsaußen Zink in der ersten Halbzeit nicht diese Situation, griff den Linksaußen im Mittelfeld nicht entsprechend an, so daß Karl Wolf als Verteidiger oft in schwierige Situationen geriet. Dadurch entstand durch die hervorragende Aufbauarbeit von Meier und Flückiger eine klare Überlegenheit im Mittelfeld für die Berner.

 

Bis zu 20. Minute hätte es aber trotzdem schon 2:0 für Wismut heißen können, eine flache Eingabe von S. Kaiser schoß in der 17. Minute Killermann Torwart Eich direkt in die Hände, und bereits zwei Minuten später gelang demselben Spieler ein herrlicher Kopfstoß. Torwart Eich war schon geschlagen – der Ball landete am Lattenkreuz. Wir waren also trotz Mittelfeld-Überlegenheit des Gegners torgefährlich. Wie eine kalte Dusche wirkte dann aber die 1:0-Führung der Gastgeber. Meier war nur einmal nicht richtig markiert, und schon war es passiert. Sein 16-Meter-Schuß sauste unwahrscheinlich scharf in Thieles Kasten. Der Schuß war so scharf, daß ihn Thiele kaum sah. Die 32.000 riß es nach diesem Traumschuß von den Sitzen, das Stadion verwandelte sich in einen Hexenkessel.

 

Bereits zwei Minuten später hätten Young Boys beinahe das 2:0 geschossen. Läufer Schneiter, von keinem beachtet, stand auf einmal nach einer Rechtsflanke frei vor Klaus Thiele. Doch wir hatten Glück, Schneiter schoß überhastet über das Tor. Es wäre wahrscheinlich schon die Entscheidung gewesen. Die Wismut-Elf ließ das alles aber scheinbar eiskalt, sie hielt ihren taktischen Marschplan weiter ein. Die Überraschung: Von der 25. Minute an wurde dann unser Exmeister sogar spielbestimmend. Der Ausgleichtreffer, der fast mit dem Pausenpfiff hinter eich einschlug, von Wagner mit Außenrist nach Eckball von Linksaußen, war deshalb dem Spielverlauf nach doch verdient.

 

Durch den Ausgleich psychisch gestärkt, kam Wismut wieder aus den Kabinen. Die Spieler unseres Exmeisters hatten gespürt, daß auch dieser Gegner verwundbare Stellen aufweist. Besonders in der Hintermannschaft hatte der Gegner seine Schwächen. Mittelverteidiger Steffen (28 Mal international) ist zwar routiniert, aber sein Alter macht sich doch bemerkbar. Auch die beiden Verteidiger fanden, insgesamt gesehen, keine Einstellung zu ihren Außenstürmern. Stark, das zeigte sich vor allem in der zweiten Halbzeit, waren die beiden Außenläufer Schnyder und Schneiter, doch die Deckung ihrer Gegner nahmen sie nicht genau. Das war meiner Meinung nach doch entscheidend, daß das Wismut-Spiel in der zweiten Halbzeit besser als vordem laufen konnte. Als Zink dann Mitte der zweiten Halbzeit sogar die Führung für Wismut erzielte, sahen die Gastgeber zeitweise sehr schlecht aus. Der SC Wismut war jetzt dem 3:1 näher als Young Boys dem Ausgleich. In dieser Phase des Spiels schaltete aber die Abwehr unseres Exmeisters zu schwerfällig. Es mußte sich jetzt meiner Meinung nach mindestens ein Läufer, Siegfried Wolf oder Manfred Kaiser, da sie ja keinen Gegenspieler mehr in der eigenen Hälfte zu decken brauchten, in die Kombinationen des Angriffs einschalten. Hätten sie auf diese Weise umgeschaltet, dann wäre wahrscheinlich der Schweizer Meister nicht mehr so überlegen geworden, wie das dann in der Folgezeit geschah. Ja durch den glücklichen Ausgleichtreffer von Rey hatte dann Wismut alle Hände voll zu tun, um den entfesselten Gegner noch bis zum Schlußpfiff in Schach zu halten.

Apropos Historie: In Erinnerung an die erfolgreichste Zeit der Vereinsgeschichte trägt der FC Erzgebirge Aue am 6. Juli 2024 gegen den nordirischen Vertreter Glenavon FC mit 64-jähriger Verzögerung das 1960 ausgefallene Spiel im Europapokal der Landesmeister im eigenen Stadion aus. Der Vorverkauf für dieses internationale Nachholspiel beginnt in Kürze.