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Das Spiel, das nie stattfand

Der FCE besuchte den Glenavon FC - ein Reisebericht

Das Europapokalspiel, das nie stattfand, kommt 64 Jahre später zur Austragung. Am 6. Juli 2024 empfängt der FC Erzgebirge Aue den nordirischen Vertreter Glenavon FC. Die Details wurden im Herbst vergangenen Jahres im Rahmen eines FCE-Besuchs auf der Insel. Ein Reisebericht als Einstimmung auf das Nachholspiel der besonderen Art.

 

Völlig selbstverständlich zückt Adrian Teer mit 79 Jahren sein Smartphone. Über ein halbes Jahrhundert liegt die Geschichte bereits zurück und doch scrollt der Präsident des Glenavon FC in Sekunden durch die Zeit und findet auf seinem Smartphone das Foto, das er unbedingt zeigen will. Ein Bild einer selbstgemachten Collage öffnet sich. “The match that never was” - verheißt der Titel und datiert eine Europapokalbegegnung, die nie stattgefunden hat. Zu sehen ist ein Zeitungsausschnitt und eine Mannschaft, die sich für ein Gruppenbild auf einer Treppe zusammengefunden hat - “Wismut team and officals on the steps of their pavillion in Aue”. Diese Treppe gibt es noch heute.

 

Europa 1960 – der eiserne Vorhang teilt den Kontinent und wird selbst für König Fußball zu einem undurchdringbaren Hindernis. Obwohl sich der nordirische Meister Glenavon FC und der ostdeutsche Meister SC Wismut Karl-Marx-Stadt für den Europapokal der Landesmeister qualifiziert haben, verhindert die Politik das Europapokal-Duell zwischen den nationalen Titelträgern von Nordirland und DDR. Die Nordiren reisten nie ins Erzgebirge und die Wismut spielte nie in Nordirland - “the match that never was”.

 

Eine schmerzhafte Lücke in der Chronik beider Vereine, die man sowohl im Erzgebirge als auch in Nordirland schließen möchte. Erste Kontaktversuche seitens des FCE gab es bereits durch Ronny Grasser und Ende 2022 knüpften auch Fans beider Vereine die ersten Kontakte auf der grünen Insel. So nahm sich Sportgeschäftsführer Matthias Heidrich der Sache an und reiste im vergangenen Herbst gemeinsam mit Max Richter nach Nordirland zum Glenavon FC in die Kleinstadt Lurgan. In einem ersten Treffen der Vereinsverantwortlichen sollten die Möglichkeiten ausgelotet werden, wie die ausgefallenen Europapokalspiele mehr als 60 Jahre später nachgeholt werden können. Beide Seiten waren sich einig, die Spiele sowohl in Lurgan als auch in Aue im Rahmen zweier Freundschaftsspiele auszutragen.

 

Matthias Heidrich machte sich vor Ort ein genaues Bild von den Gegebenheiten und bekam einen ersten direkten und ehrlichen Einblick in die nordirische Fußballkultur. Herzblut, harte Arbeit und glühende Begeisterung für den Fußball und den Club – das hält auch den Traditionsverein Glenavon FC am Leben und treibt ihn an. Den gewissen Charme findet man natürlich auch in Lurgan. Allein auf der Seite der Haupttribüne verstecken sich vier Pubs und Fanclubräume, wo sich der eingeschworene und harte Kern der Glenavon-Fans trifft. In der Halbzeitpause versammelt sich die Clubführung im Pokalzimmer direkt unter den Rängen und Präsident Teer versäumt es nicht, auch den kleinsten Unterstützer in einer beinahe schon royalen Ansprache von Herzen zu danken.

 

Natürlich wurde an jenem Wochenende im Herbst 2023 auch Fußball gespielt und die Blues empfingen im heimischen Mourneview Park den amtierenden Meister Larne FC. Ein ungleiches Duell, während man beim Glenavon FC jeden Penny umdreht, spendiert ein schwerreicher Multimillionär Larne FC die nötigen Pfund, um in der Liga oben mitzuspielen.

 

Eine erste Liga als Zweiklassengesellschaft und dennoch kann an einem nasskalten Abend David immer noch Goliath schlagen. “Be just and fear not” steht im Wappen von Glenavon. Viel eleganter und präziser kann man Tugenden und Stil kaum vereinen. Getreu ihrem Motto legten die Blues mit Vollgas los und versuchten den Qualitätsunterschied durch Laufleistung und Einsatz zu kompensieren. Vor dem neuen Trainer Stephen McDonnell schienen sich alle Spieler beweisen zu wollen. Auch Linksverteidiger Sean Ward. Der 39-jährige Routinier und vierfache nordirische Meister riegelte mit seiner ganzen Erfahrung den linken Flügel ab, ohne dabei auch nur einen Sprint anzuziehen.

 

Der amtierende Meister von der Küste merkte früh, dass hier keine Punkte verschenkt werden. Drei Großchancen ließen die Underdogs liegen und ein Raunen ging durch den Mourneview Park. David schwang schon seine Schleuder in Richtung Goliath, traf sich aber selbst. Mittelfeldmann Robert Garrett streckte kurz vor der Pause seinen Gegenspieler nieder. Schiedsrichter Kennedy blieb gar keine Wahl und zeigte die Rote Karte. Es war bereits der 11. Platzverweis des Aggressive Leaders und allein Schiedsrichter Kennedy hatte Garrett schon sechsmal vom Feld geschickt.

 

Der Platzverweis kippte das Spiel und in der zweiten Hälfte nutzte Larne die Überzahl knallhart aus. In nur zehn Minuten schnürte Mittelstürmer Lee Bonis einen lupenreinen Hattrick und die einzige gute Gelegenheit der Blues nach dem Seitenwechsel konterte der amtierende Meister gnadenlos aus und stellte auf 0:4. Kein leistungsgerechtes Ergebnis für die Männer aus Lurgan, die sich für die harte Arbeit nicht belohnen konnten.

 

Trotz der Niederlage der Blues war es ein erfolgreicher FCE-Ausflug zum Glenavon FC. Nach dem regen Austausch in Nordirland fassten beide Vereine die Austragung der ausgefallenen Spiele konkret ins Auge. Über den Jahreswechsel wurden die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen, sodass in den kommenden beiden Sommerpausen die Europacup-Spiele von 1960 nachgeholt werden. Am 6. Juli 2024 treten die Nordiren zuerst im Lößnitztal an und sind der Gegner bei der Saisoneröffnungsfeier der Veilchen. Der Kreis schließt sich im Sommer 2025. Dann reist der FC Erzgebirge und das Steigerlied ertönt wohl zum ersten Mal auf der grünen Insel. Die Vorfreude steigt. Bei den Vereinen, den Mannschaften und den Fans. Endlich wieder internationaler Fußball. In Aue und in Lurgan. (MR)

 

Tickets für das internationale Nachholspiel im Erzgebirgsstadion gibt es hier.